Midgard-Leak: Was Südtiroler:innen im schwedischen Neonazi-Shop kauften

Auch drei Personen aus Südtirol haben bei dem rechtsextremen Versandshop „Midgard“ bestellt – das geht aus den kürzlich veröffentlichten Kund:innendaten hervor. Unter ihnen ist mutmaßlich auch ein Carabinieri-Beamter.

Vor Kurzem wurde der rechtsextreme Internetversand „Midgard“, der von Schweden aus operiert, gehackt. Nun wurden 20.000 Bestelldaten von 2017 bis 2022 auf der Internetseite midgard.antifa.se veröffentlicht, wie die Antifa Stockholm berichete.

Auch drei Personen aus Südtirol finden sich mit Adresse, E-Mail-Adresse und Telefonnummer in der Liste – inklusive Details zu den Bestellungen. Sie konnten durch die Ortsangaben (Ortisei, Valles, Moos in Passeier) rasch ausfindig gemacht werden.

91 Artikel aus dem Neonazi-Shop gingen nach Urtijëi/St. Ulrich (Bildquelle: Discogs)

Am häufigsten kaufte ein Grödner aus Urtijëi/St. Ulrich beim rechtsextremen Internetversand ein. Ganze 91 CDs ließ er sich zwischen 2018 und 2022 in 15 Bestellungen liefern. Vermutlich sind es noch mehr, da von 2023 keine Daten vorliegen. Bei CD-Preisen um die 15 Euro kommen so schnell 1.400 Euro zusammen.

Das Brisante daran: Es soll sich dabei um einen in Gröden stationierten Carabinieri-Beamten handeln. Sein Name tauchte bereits 2015 auf einer geleakten Kund:innenliste des neonazistischen OPOS-Versands auf. Er wird als schweigsam und unauffällig beschrieben.

Seine Profilbilder auf Instagram und Telegram zeigen das Gemälde „Tors strid med jättarna“ (deutsch: Thor kämpft mit den Riesen) des Malers Mårten Eskil Winge von 1872. Die Darstellung ist bei nordisch-germanisch orientierten Rechtsextremen beliebt, da der germanische Gott Thor ein Sonnenrad bzw. Hakenkreuz am Gürtel trägt.

Das Instagram-Profil des Grödners: Thor mit Hakenkreuz (Bildquelle: Instagram/Wikipedia)

Die Bands, deren Musik er kaufte, sind allesamt der rechtsextremen Szene zuzuordnen, darunter Rechtsrock, National Socialist Hardcore (NSHC) und National Socialist Black Metal (NSBM). Hier nur einige Beispiele: Seine erste Bestellung im April 2018 enthielt zwei Alben der Schweizer Neonazi-Band „Erschiessungskommando“, von denen eines für Schlagzeilen gesorgt hatte, da in einem Lied zum Mord gegen eine Politikerin und ihre Familie aufgerufen wird.

Im April 2022 erwarb er wiederum zwei CDs von „Skrewdriver“, der wohl bekanntesten europäischen Neonazi-Band. Darauf findet sich das Lied „Stolz“, in dem es heißt:

„Der Stolz deiner Nation, der Stolz deiner Rasse / Verlier es nicht, sonst bist du verloren.“

Im Juni desselben Jahres bestellte der Mann zwei Alben der anonymen Band „Zillertaler Türkenjäger“, die in Deutschland wegen Volksverhetzung verboten wurden. Auf dem Cover ist eine Fotomontage zu sehen, die VIVA-Moderator Mola Adebisi, Farin Urlaub (Die Ärzte) und Campino (Toten Hosen) an einem Galgen zeigt. Das Verbot erfolgte auch wegen Lieder wie „Das Reich“, in dem ganz offen die NS-Zeit verherrlicht wird:

„Eine große Zeit fürwahr / Die SS und die SA / Es war alles wunderbar.“

Aber auch auf den ersten Blick sichtbare NS-Bezüge schreckten ihn nicht ab: Auf dem Cover des Albums „Vom Blute rein“ der deutschen Hardrock-Band „Stahlhelm“ sind SS-Soldaten zu sehen, auf „Unter blutrotem Banner“ von „Projekt 8.8“ wehende Hakenkreuz-Fahnen (siehe oben).

Urtijëi/St. Ulrich, 2023: Rechtsextremismus, Mythologie, Verschwörung (Bildquelle: Facebook)

Der Midgard-Kunde ist in Urtijëi/St. Ulrich mit seinen Ansichten nicht allein, wie das obige Foto zeigt. In den letzten Jahren hat sich dort eine Gruppe etabliert, die sich ideologisch zwischen Rechtsextremismus, nordischer Mythologie und rechten Verschwörungstheorien (Stichwort: Vril-Gesellschaft) bewegt. Die Mitglieder sind um die 30 Jahre alt und bezeichnen sich als „Berserker“, d. h. nordische Krieger, und waren in der Vergangenheit laut Aussagen einer im Dorf wohnhaften Person in gewalttätige Übergriffe involviert.

Die Gruppe ist stark maskulinistisch und rassistisch geprägt und war an Trinkgelagen, dem Besuch rechter Konzerte sowie der Abhaltung von winterlichen Sonnwendfeiern beteiligt. Zur örtlichen Schützenkompanie bestehen gute Kontakte, ein führendes Schützen-Mitglied ist bekannt für seine Faszination für die nordische Mythologie und hat seinem Kind den Namen einer germanischen Gottheit gegeben.

Musik von Stahlgewitter, Landser und Co. ging ins Passeiertal (Bildquelle: Discogs)

Zweiter Schauplatz – Moos in Passeier. Die Rechtsrock-Szenegröße „Stahlgewitter“ hat auch dort Fans. Zwei CDs der Band wurden im April 2022 bei dem schwedischen Internetversand bestellt, eines davon heißt „Auftrag Deutsches Reich“. Das gleichnamige Lied beginnt mit sechs „Heil“-Rufen und gipfelt in der Zeile „Heil dir, Germania“.

Die Passeirerin kaufte zudem zwei Compilations, also Alben mit Musikstücken verschiedener rechtsextremer Bands. Darauf sind Lieder wie „Stolzer Germane“ (Fylgien), „White Power“ (HKL/Nothung) und „Arisches Kind“ (Landser), in dem es heißt:

„Nicht alle Menschen die sind gut / Gut ist immer nur / ein Mensch mit reinem Blut.“

Die Band war eine der bekanntesten Neonazi-Bands in Deutschland, ihre Mitglieder wurden 2003 wegen Bildung einer kriminiellen Vereinigung verurteilt. Vielleicht waren die rechtsextremen CDs aber auch für ihren Partner bestimmt, der sich seine Gesinnung tätowieren ließ: Seine rechte Schulter wird von Hakenkreuz und Schwarzer Sonne geschmückt.

Eine Person aus Vals in der Gemeinde Mühlbach wiederum bestellte im September 2018 in Schweden neben „Blood & Honour“-Material ein Buch über den US-amerikanischen Neonazi Richard Scutari, Gründungsmitglied in der rechtsextremen Terrorgruppe „The Order“, die 1984 einen jüdischen Moderator ermordete.

Die jetzt veröffentlichten Bestelldaten sind nur die Spitze des Eisbergs: Es gibt dutzende Internetshops, die sich auf rechtsextreme Musik, Merchandise und Kleidung spezialisiert haben. Oft – wie auch im Fall von „Midgard“ – kommen die Betreiber selbst aus der Neonazi-Szene. Die Bestellungen geben Einblick in ein Marktsegment, in dem Millionen umgesetzt werden. Gleichzeitig ist Musik oft die „Einstiegsdroge“ in die Szene und hilft dabei, neue Mitglieder zu rekrutieren.

Verbote helfen da oft wenig – Antifaschismus bleibt Handarbeit, und das heißt „denen nachhaltig auf die Nerven zu gehen, die versuchen, sich als Konservative zu verkleiden, aber in Wirklichkeit für Rassismus, Nationalismus und völkisches Denken stehen“, wie es Margarete Stokowski einmal formuliert hat.

Deutsche Burschenschaft: Schiffbruch im sonnigen Süden

Es sollte ein zweitägiges Fest im Zeichen von Nation und Vaterland werden, eine Vernetzungsfeier im „deutschen Süden“, eine unbeschwerte Fahrt zu stramm rechten, echten deutschen Freunden. Manchmal läuft nicht alles nach Plan. Und manchmal läuft alles aus dem Ruder: Die Deutsche Burschenschaft hat ein Debakel erlitten wie schon lange nicht mehr.

Die Verbandstagung: zusammengekürzt, chaotisch, spärlich besucht. Nur rund einhundert Teilnehmer:innen zog es nach Südtirol. Und dann wurde auch noch öffentlich bekannt, dass sich die Deutschnationalen als „deutsch-italienischer Kulturverein“ ausgeben mussten, um überhaupt an einen Raum zu kommen. 

Zum Ablauf der Verbandstagung verweisen wir auf den Bericht der Antifa Freiburg.

Schon der Donnerstag hatte für die Deutsche Burschenschaft miserabel begonnen: Wieder eine Polizei-Razzia bei einer Mitgliedsverbindung, diesmal bei der Burschenschaft „Teutonia Prag“ aus Würzburg (Bayern). Der Verdacht: Volksverhetzung und das Verwenden von Symbolen verfassungswidriger Organisationen. Wieder einer dieser „Einzelfälle“, Symptome desselben faschistoiden Geschwürs, das einen Großteil des Verbandes durchzieht.

Für das stark verkürzte Programm für Freitag und Samstag wollte sich in Südtirol zunächst auch niemand so recht hergeben. Mehrere Gaststätten im Meraner Raum hatten entsprechende Anfragen bekommen – und abgelehnt: „Wir wollen mit derartigen Gruppen nichts zu tun haben und distanzieren uns.“

Mehr Glück hatte der von rechtsextremen dominierte Verband beim „Sandwirt“ im Passeiertal, dem Geburtshaus von Andreas Hofer, einem beliebten Treffpunkt rechtskonservativer Gruppen. Dort konnten sich die Burschen am Freitag fröhlich versammeln, obwohl die Betreiber Bescheid wussten, dass sie sich unter anderem Neonazis in die Stube holen. Auf Nachfrage galt: „Geschlossene Gesellschaft“. Beim Marlinger Vereinshaus mussten sich die Deutschnationalen dann schon bis zur Lächerlichkeit verbiegen, um an den Raum zu kommen: Gebucht wurde dieser für die Gründungsfeier eines „deutsch-italienischen Kulturvereins“, so eine Verantwortliche des Hauses.

Geschützt wurden die deutschen Männerbündler in Marling von einer Vielzahl Zivilbeamter, die sowohl im Auto als auch zu Fuß um das Gebäude schwirrten und auch Passant*innen kontrollierten. Am Kirchplatz standen mehrere Einsatzfahrzeuge der Carabinieri. Es war ein Aufgebot, als gäbe es eine Bombendrohung.

Rechtsextreme? Nicht willkommen!

Im Vorfeld des Treffens drückten unterschiedliche Gruppen in Süd- und Nordtirol mit Protestaktionen ihre Ablehnung aus. In Lana und Innsbruck kam es zu Banneraktionen der Fans des FC Obermais und des FC Wacker Innsbruck, in Marling, Algund und Meran fanden Banner-Drops und Plakataktionen statt, in Meran gab es am Samstagnachmittag einen Infostand.

Die Großdeutschland-Versteher

Der große nationale Schulterschluss mit der deutschsprachigen Rechten in Südtirol bei der Tirol-Feier am Samstag war ausgeblieben. Mit dabei waren jene Politiker:innen, die sich bereits im Vorfeld für die Burschenschafter stark gemacht hatten. Um nur einige zu nennen:

  • Otto Mahlknecht ist Freiheitlicher Landtagskandidat, Mitglied der Verbindung „Laurins Tafelrunde“ und Anwalt der Deutsche Burschenschaft. Vor wenigen Jahren hatte er sich noch gegen die Sanierung „faschistischer Relikte“ in Bozen stark gemacht und der Stadtführung „nationalistisches Denken“ vorgeworfen, gestern feierte er mit deutschen Rechtsextremen und Nationalisten in Marling.
  • Melanie Mair, Landesjugendsprecherin der Süd-Tiroler Freiheit und Mitglide bei der Schützenkompanie Tscherms, hat gute Verbindungen zu den beiden rechtsextremen Burschenschaften Brixia und Suevia aus Innsbruck. Die Brixia hatte 1989 den Holocaust-Leugner David Irving nach Innsbruck geladen. In einem Leserbrief gibt Mair an, „viel Zeit mit Burschenschafter“ verbracht zu haben und von deren „Kameradschaft“ beeindruckt gewesen zu sein. Na dann.
  • Gudrun Kofler, Mitglied der Süd-Tiroler Freiheit, hat als FPÖ-Landtagsabgeordnete in Tirol von Haus aus wenig Berührungsängste mit Burschenschaften. Die FPÖ gilt ja als eine von Burschenschaftern unterwanderte Partei, 2019 etwa waren 40 % der FPÖ-Nationalratsabgeordneten Mitglied einer deutschnationalen oder völkischen Verbindung.

Und man vertraut auch nicht auf Politik und Polizeiapparat…

Nach der klaren Positionierung der Gemeinde Algund und ähnlichen Aussagen vonseiten SVP-Leitung wäre davon auszugehen gewesen, dass der Deutschen Burschenschaft keine öffentlichen Räume in Südtirol zur Verfügung gestellt werden.

Letztlich konnten rechtsextreme Burschenschafter im Marlinger Vereinshaus feiern. Und auch wenn die Verantwortlichen in Marling beklagen, „getäuscht“ worden zu sein: Hier wurde von der Gemeinde und SVP-Bürgermeister Felix Lanpacher bewusst weggesehen, da allen klar sein musste, dass die Burschenschafter für diesen Tag ein Ersatzlokal suchen.

Es hat sich gezeigt, dass auf die Politik und die SVP kein Verlass ist, wenn es um Neonazismus und Rechtsextremismus geht. Sie haben diesen für wenig Geld eine öffentliche Bühne geboten – während die Anti-Terror-Polizei Digos daran mitgewirkt hat, dass eine Veranstaltung gegen Rechtsextremismus in Meran abgesagt werden musste.

Antifaschismus wirkt!

Festgehalten werden kann, dass die Deutschnationalen und Rechtsextremen bei ihrem Versuch, für ihre Sache im „deutschen Süden“ zu werben, eindeutig Schiffbruch erlitten haben. Gleichzeitig hat die Auseinandersetzung gezeigt, wie wichtig antifaschistisches Engagement, Bündnisarbeit und Vernetzung sind. Und dass es jede:n Einzelne:n braucht, um solche Kämpfe auch in Zukunft führen zu können. Denn nur gemeinsam ist es uns gelungen, die nationalistische Jubelfeier zum Desaster zu machen: Naziburschen – auf Nimmerwiedersehen!

Fotos: versch. anonyme Zusendungen

Eilmeldung: Burschenschafter treffen sich im Vereinshaus von Marling

Burschenschafter trafen sich gestern im Sandwirt im Passeier (Foto: anonym)

Die Tirol-Feier der überwiegend rechtsextremen Deutschen Burschenschaft wird heute ab 20 Uhr in Marling stattfinden  – in den Räumlichkeiten der Gemeinde, dem Vereinshaus im Dorfzentrum. Dies geht aus internen Quellen des Verbandes hervor.

Vonseiten des Marlinger Vereinshauses hieß es, sie seien von der Deutschen Burschenschaft getäuscht worden. Angemeldet wurde eine „kulturelle Veranstaltung“. Diese Angabe konnte noch nicht überprüft werden. In jedem Fall wurden die Marlinger:innen hinters Licht geführt: Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, wenn hunderte Nationalisten und Neonazis mitten im Dorf feiern.

Dass das rechtsextreme Verbandstreffen nach der Debatte im Sommer in den Räumen einer anderen Gemeinde stattfindet, ist in jedem Fall mehr als skandalös. Hier hätten Hintergrundinformationen eingeholt werden müssen, die Gemeindeleitung unter SVP-Bürgermeister Felix Lanpacher hat völlig versagt.

Dass Neonazis und Nationalisten aus Deutschland und Österreich in öffentlichen Räumen ihre menschenverachtende Gesinnung zur Schau stellen können, darf nicht folgenlos hingenommen werden. Rechtsextremismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.

Erst der Donnerstag fand bei einem Mitgliedsverband der Deutschen Burschenschaft, der Burschenschaft „Teutonia Prag“ aus Würzburg (Bayern), eine Polizei-Razzia stattgefunden. Der Verdacht: Volksverhetzung und das Verwenden von Symbolen verfassungswidriger Organisationen.

Rund 30 Burschenschafter aus Deutschland trafen sich dann gestern Abend in den Räumen des „Sandwirts“ in St. Leonhart im Passeiertal, darunter auch szenebekannte Rechtsextreme.

Die Betreiberin des „Sandwirts“ hielt an der Veranstaltung fest, obwohl sie im Vorfeld über die Hintergründe des Verbandes informiert worden war. Zahlreiche andere Gaststätten in Südtirol hatten mehr Rückgrat gezeigt – und die Burschenschafter abgewiesen. Ein Lokal in Marling lud sie wieder aus, nachdem sich die Burschenschafter unter falschem Namen angemeldet hatten.

Burschenschafter-Treffen: Protestaktionen, Absagen und miese Stimmung

Foto: fanszene.obermais (Instagram)

Im Meraner Raum kam es zu Protestaktionen gegen das versteckte Treffen der überwiegend rechtsextremen Deutschen Burschenschaft in Südtirol. Auch mehrere Gaststätten haben entsprechende Anfragen der Rechtsextremen abgelehnt: Sie wollen „mit derartigen Gruppen nichts zu tun haben“. Die Stimmung unter den Burschenschafter ist schlecht.

Fans des FC Obermais haben mit einer Banner-Aktion ihren Unmut über das Treffen ausgedrückt. Bei dem Spiel gegen den SV Lana entrollten rund ein Dutzend Fans des Oberliga-Vereins aus der Passerstadt ein Banner mit der Aufschrift „BURSCHENSCHAFTER NOT WELCOME“.

In sozialen Medien schreibt die Fangruppe Curva Sud Obermais zu der Aktion: „In Zeiten globaler Krisen, niedriger Löhne und Armut erfahren populistische und rechtsextreme Parteien erfahrungsgemäß einen großen Aufschwung. Im Oktober stehen in Südtirol die Landtagswahlen an: Die gewohnten Feindbilder werden hervorgeholt. Für ein paar Stimmen wird quer durch die Parteilandschaft fleißig nach unten getreten.“

„Die Geschichte zeigt, wie verheerend rechte Ideologien sein können, deswegen ist es gerade jetzt umso wichtiger klar Stellung zu beziehen und gemeinsam gegen Menschenfeindlichkeit und rechte Hetze zu stehen“, so die Curva Sud.

Foto: anonym

In der Nacht auf heute (Freitag) haben Antifaschist:innen im Meraner Raum an verschiedenen Orten Plakate mit der Aufschrift „Burschenschaften nicht willkommen – Südtirol gegen Rechtsextremismus“ angebracht, um auf das Treffen hinzuweisen und die ablehnende Haltung der Bevölkerung zu unterstreichen.

Wie heute bekannt wurde, hatten mehrere Gaststätten im Meraner Raum entsprechende Anfragen bekommen – und abgelehnt. Auch ein Lokal in Marling hatte einer Reservierungsanfrage zunächst zugesagt, da die Rechtsextremen mit falschem Namen aufgetreten waren. Nachdem die Betreiber:innen auf die Hintergründe aufmerksam wurden, luden sie die Burschenschafter wieder aus: „Wir wollen mit derartigen Gruppen nichts zu tun haben und distanzieren uns“, hieß es auf Nachfrage.

Der von Rechtsextremen dominierte Verband „Deutsche Burschenschaft“ wollte sein Verbandstreffen ursprünglich im Thalguterhaus in Algund abhalten. Nach Protesten aus der Bevölkerung lud die Gemeinde die die Burschenschafter wieder aus. Wie aus internen Schreiben hervorgeht, kann die Deutsche Burschenschaft ihre Verbandstagung nur noch mit Rumpfprogramm durchführen. Der inhaltliche Teil musste gestrichen werden, es geht nur mehr den gemeinsamen Bierkonsum am Samstag, den 16.09. in einer noch geheimen Lokalität im Raum Meran. Auch deshalb ist die Stimmung im Verband miserabel, da viele Burschenschafter dafür nicht die lange Anreise aus Deutschland und Österreich auf sich nehmen wollen.

Der Burschenschaftsspuk ist noch nicht vorbei

Von verzweifelten Rechtsklagen und unglaubwürdigen Diffamierungsversuchen

Die Ausladung der Deutschen Burschenschaft aus dem Thalguterhaus war wichtiges Zeichen der Gemeinde, dass rechtsextreme Gesinnung nicht toleriert wird. Wir freuen uns über die klare Position von Vizebürgermeisterin Ganner, die von Anfang an gegen die Durchführung des Treffens war und sich deutlich positioniert hat. Algund ist damit nicht allein: Im Jahr 2013 versuchte die DB in Innsbruck, ihre Verbandstagung in städtischen Räumlichkeiten abzuhalten – auch damals wurde ihnen gekündigt. Genauso wie 2019 in der Nähe von Colmar. Die Protest-Aktion in Südtirol war in vielen Teilen ein Erfolg.

 

In ihrer Pressemitteilung zeigt die deutsche Burschenschaft wieder einmal, dass ihr außerhalb einiger polemischer Kampfbegriffe nur heiße Luft bleibt. Die Versuche, kritische Stimmen als „antidemokratisch“ oder gar „terroristisch“ zu diffamieren, ohne dabei inhaltlich auf die Kritik einzugehen, ist ein verzweifelter populistischer Versuch von den eigentlichen Vorwürfen und Verstrickungen abzulenken. Für uns bleibt weiterhin klar: Aktiver Protest ist Teil demokratischer Meinungsbildung und zeugt von zivilgesellschaftlichem Engagement.

 

Hier eine Einschätzung von uns, wie es weitergehen könnte:

Was sicher ist, die DB hält weiter an ihrem Treffen in Algund – entgegen dem Wunsch der Gemeinde – fest. Das sagt sie in einer Aussendung. Zudem habe sie gegen die „widerrechtliche einseitige Kündigung durch das Thalguterhaus“ rechtliche Schritte durch eine Bozner Anwaltskanzlei eingeleitet. Schützenhilfe bekommen sie durch Rechtsanwalt Otto Mahlknecht, Vizeobmann der Freiheitlichen.

  • Szenario 1: Möglich wäre, dass die DB den Rechtsstreit mit der Gemeinde gewinnt und ihre Veranstaltung trotzdem im Thalguterhaus veranstalten kann.
  • Szenario 2: Die Veranstaltung der DB findet in einer anderen öffentlichen Lokalität im Burggrafenamt statt. Davon auszugehen ist, dass die Burschenschafter schon fleißig am Suchen sind. Zumindest scheint es schon Bürgermeister zu geben, die dem nicht abgeneigt wären. (Artikel 1, Artikel 2)
  • Szenario 3: (Am wahrscheinlichsten) die Veranstaltung findet unter dem Radar in einem (vielleicht auch privaten) Ausweichraum im Raum Burggrafenamt statt, welcher nicht öffentlich mitgeteilt wird.
  • Szenario 4: Die Veranstaltung wird aufgrund von Sicherheitsbedenken von den Behörden abgesagt.

Die DB hat ein klares Zeichen erhalten, dass viele Menschen hier keine rechtsextremen Ideen teilen und dass ihnen Räume nicht einfach so zur Verfügung gestellt werden.

Der Nationalsozialismus brachte Millionen von Menschen Vernichtung, Krieg und Vertreibung. In Südtirol gab es sowohl Opfer als auch Täter, da die kleine Provinz unter den Auswirkungen zweier faschistischer Regime litt. Angesichts dieser Geschichte tragen wir eine besondere Verantwortung, uns klar von rechtsextremen und völkischen Positionen zu distanzieren und sie aus dem öffentlichen Raum zu drängen. Als Sammelbecken teils rechtsextremer Burschenschaften hat die DB in einer offenen, bunten und solidarischen Gesellschaft keinen Platz.

 

Quelle: nrwz.b-cdn.net

Wir ermutigen die Gemeinde Algund, Bürgermeister Gamper und Vizebürgermeisterin Ganner, weiterhin an der Kündigung festzuhalten.
Die Menschen in Südtirol rufen wir dazu auf, deutlich Position zu beziehen und den Rechtsextremen keine Unterkunft oder Treffpunkte zu gewähren. Zivilgesellschaftliche und politische Gruppen sind aufgerufen, den Protest gegen die Veranstaltung zu unterstützen und sich daran zu beteiligen.

 

Die Sorge, dass die Burschenschafter dennoch in Südtirol zusammenkommen könnten, besteht weiterhin. Daher ist es wichtig, auf allen Ebenen zu zeigen, dass sie hier nicht willkommen sind. Wir möchten keinen Raum für Menschen bieten, die den Nationalsozialismus verherrlichen, menschenverachtende Ideologien unterstützen oder sich auf „Ariernachweise“ beziehen.

 

Burschenschafter-Treffen in Algund: „Nicht kommentarlos hinnehmen“  

Die Antifa Meran bedauert, dass sich Teile der Algunder Gemeindeleitung noch immer nicht der Tragweite des Burschenschafter-Treffens bewusst sind. „Während sich Vizebürgermeisterin Ganner-Laimer und Verwalterin Pichler gegen die Veranstaltung im Vereinshaus aussprechen, zeigen andere leider nicht so viel Rückgrat“, heißt es in einer Aussendung.
 
„Expert:innen, Historiker:innen und lokale Gruppen haben sich klar gegen das Treffen positioniert. Jetzt ist die Gemeinde am Zug. Sollte sie entgegen jeder Vernunft am Vernetzungstreffen rechtsextremer Burschenschaften festhalten, werden wir das keinesfalls kommentarlos hinnehmen“, betont die Antifa Meran. 
 
Die Rechtsextremismus-Expert:innen Natascha Strobl und Andreas Peham aus Wien bestätigen die Kritik der Antifa Meran. Die Südtiroler Historiker Hans Heiss und Hannes Obermair und der Politologe Thomas Kobler betonen ebenfalls die Problematik der rechtsextremen Veranstaltung in Südtirol. Die Eine-Welt-Gruppe Algund und die antifaschistische Vereinigung ANPI fordern die Absage des Treffens. „Die Gemeinde kann sich nicht länger auf Unwissenheit hinausreden“, so die Antifa Meran.
 
Nachdem die Verantwortlichen in Algund seit einigen Wochen immer noch damit beschäftigt sind, ‚nachzulesen‘ und über die Deutsche Burschenschaft ‚zu recherchieren‘, hat die Antifa Meran als Entscheidungshilfe einige Kritikpunkte in einem Video zusammengefasst.

„Es wird nicht ausreichen, lediglich zu recherchieren, wer bei der Tagung referiert, ohne die Deutsche Burschenschaft als demokratiefeindliche Struktur zu erkennen: „Sie ist ein Sammelbecken aus völkischem Nationalismus, elitärer Ideologie und rechtsextremem Gedankengut, die organisatorisch teilweise von der AFD und FPÖ bis in die NPD und die Neonaziszene hineinreicht“, erklärt die Gruppe.
 
„Solche Treffen sind auch Vernetzungstreffen mit der örtlichen rechtsextremen Szene, daher muss die Gemeinde Algund hier Verantwortung und Haltung zeigen. Sollte das Treffen der Deutschen Burschenschaft nach der ganzen Debatte trotzdem stattfinden, kann und wird das nicht ohne Reaktion bleiben“, so die Antifa Meran.

Nein zum rechtsextremen Burschenschafts-Treffen in Algund!

Es ist eines der größten Treffen völkisch-nationaler und rechtsextremer Burschenschaften im deutschsprachigen Raum – und soll in Algund stattfinden.

Vom 15. bis 17. September 2023 lädt der Dachverband Deutsche Burschenschaft ihre zum Großteil rechtsextremen Mitglieder zur „Verbandstagung“ nach Südtirol. Ort des dreitätigen Treffens: das Thalguterhaus der Gemeinde Algund. Das Rathaus und der Jugendtreff liegen direkt gegenüber, die Grundschule ist wenige hundert Meter entfernt. Der bis zu 500 Personen fassende Raiffeissensaal ist bereits angemietet.

Wir als Antifa Meran fordern die Leitung des Thalguterhauses sowie die Gemeinde Algund als Trägerin zum sofortigen Einlenken auf: „Rechtsextremismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben  – erst recht nicht in den Repräsentationsräumen einer Gemeinde.“

In Innsbruck versuchte die Deutsche Burschenschaft 2013, ihre Verbandstagung in Räumen der Stadt zu machen. Die ehemalige ÖVP-Bürgermeisterin damals: „Die Durchführung der Veranstaltung würde unseren Grundsätzen der offenen Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus widersprechen.“ Die Stadt kündigte den Vertrag, Tausende demonstrierten gegen Rechtsextremismus. Wir meinen: Algund soll dem Innsbrucker Beispiel folgen!

Wir rufen auch die Algunder Bevölkerung dazu auf, klar Stellung zu beziehen und den Rechtsextremen keine Übernachtungs- und Einkehrräume zu geben. Zivilgesellschaftliche und politische Gruppen sind aufgefordert, den Protest gegen die Veranstaltung mitzutragen.

Ankündigung in der Zeitschrift der Deutschen Burschenschaft (Quelle: Burschenschaftliche Blätter)


Hintergrundinformationen: Verbandstagung in Algund – um was geht es?

Vom 15. bis 17. September 2023 will die Deutsche Burschenschaft ihre jährliche Verbandstagung in Algund austragen. Mehrere hundert Mitglieder nehmen regelmäßig an diesen Treffen teil, zu denen Vortragende aus dem rechten und rechtsextremen Lager geladen werden.

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Internationales Netzwerk: Aufmärsche gegen Frauenrechte

Wie ausländische Organisationen mit Nähe zum Rechtsextremismus die Abtreibungsdebatte in Tirol anheizen – und bald auch in Südtirol aktiv sein könnten.

Samstag, 11. März in Innsbruck: Abtreibungsgegner:innen rufen zum „Marsch fürs Leben“ auf, fordern die weitere Einschränkung der Möglichkeiten für Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Mit Petitionen und Kundgebungen mobilisieren sie schon seit Monaten gegen die Einführung eines flächendeckenden, kostenfreien Angebots in Tirol. Der Vorstoß der neuen Landesregierung scheint den Antifeminist:innen Auftrieb zu geben: Stand im vergangenen Sommer noch rund zehn Personen vor dem Landhaus, waren es im September bereits über 60. Im Januar nahmen dann über 300 Menschen an der Demonstration „gegen öffentlich finanzierte Abtreibungen“ teil. Der Erfolg kommt nicht zufällig. Er ist das Ergebnis professioneller Agitation – und tatkräftiger, vor allem finanzieller Hilfe aus dem Ausland.

Jugend für Abtreibungsverbot

Organisiert wurde die Demo im Januar von der Gruppe Jugend für das Leben, einer 1989 in Linz gegründeten katholischen Jugendorganisation. Ihr Ziel: „Abtreibungen […] undenkbar zu machen“, wie es auf der Webseite heißt. Die Gruppierung zählt zu den aktivsten in Österreich und ist in den meisten Bundesländern aktiv, verfügt aber über eher lose Basisstrukturen. Auch die derzeitige Aufbauarbeit passiert Top down: Der Verein verfügt über eine Generalsekretärin und „Regionalkoordinatoren“, die für die Rekrutierung neuer Mitglieder und die Durchführung von Veranstaltungen zuständig sind.[2] Die Gruppe steht hinter dem Label „Marsch fürs Leben“, unter dem Antiabtreibungsmärsche veranstaltet werden, und bietet Workshops zum Thema „Abtreibung und Alternativen“ in Schulen an.

Ultrakonservative Netzwerke im Hintergrund

Mitveranstalter im Januar in Innsbruck war – wie auf den Transparenten unschwer erkennbar – die ultrakonservative Organisation CitizenGO, die seit einiger Zeit auch in Österreich aktiv ist. Die 2013 in Spanien gegründete Stiftung lobbyiert für konservative Werte und betreibt eine Petitionsplattform, auf der sich Petitionen gegen Feminismus, LGTBQ oder Sterbehilfe finden: „Feminismus ist eine Gefahr für Frauen. Der Feminismus … hat die Lage für alle verschlechtert“, heißt es etwa auf Facebook. Ziel ist es, so Beobachter:innen, „nationale Regierungen, Parlamente und internationale Institutionen“ zu beeinflussen. Dabei setzt die Stiftung vor allem auf Gruppen vom rechten Rand.

CitizenGO: „Internationaler Motor für Rechtsextremismus“

Wie interne Leaks gezeigt haben, hat CitizenGO nicht nur die rechtsextreme Partei Vox in Spanien groß gemacht. Die Organisation ist durch ihre finanziellen Zuwendungen laut der spanischen Zeitung Público ein „internationaler Motor für rechtsextreme Parteien und Organisationen“ und hat in 50 Ländern zu deren raschen Verbreitung und Konsolidierung beigetragen. In Österreich trat die Gruppe auch in Vorarlberg in Erscheinung und unterhält Verbindungen zur ÖVP. Weiterlesen

Lützerath-Aktivist: „Notwendige Reaktion auf unglaubliche Zerstörung“

Lützerath, ein kleines Dorf bei Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen: Schauplatz des heftigsten klimapolitischen Kampfes der letzten Jahre. Der Energiekonzern RWE will hier Braunkohle abbauen. Notwendig, meinen CDU und Grüne, die das Vorhaben abgenickt haben. Ein Wahnsinn angesichts der eskalierenden Klimakrise, finden Anwohner:innen, Klimaschützer:innen, kirchliche Verbände. Vor zwei Wochen begann die Räumung des Protestcamps durch Polizeihundertschaften.

Ein Aktivist aus Südtirol – nennen wir ihn Manu – war mittendrin dabei.

Was hat dich dazu bewogen, dich dem Protest anzuschließen?

Manu: Hab Lützi komplett zufällig entdeckt als ich mit Kumpels in der Gegend war und dann gab’s mehrere Kurzschlussentscheidungen von mir, die dazu geführt haben, dass ich jetzt am Ende fast ein Jahr dort gelebt habe. Es hat sich einfach alles so richtig angefühlt in Lützi! Wie wir zusammengelebt haben, wie wir zusammen viel ertragen mussten und wie wir zusammen gekämpft haben! Es war der perfekt Ort für meine Radikalisierung und ich hab so viel gelernt an diesem Ort.

Fünf Tage lang haben sich die Besetzer:innen der Räumung widersetzt – trotz Kälte, Nässe, Schlamm. Wie hast du die Räumung erlebt?

Manu: Für meine Bezugis [Menschen einer Bezugsgruppe] und mich war die Räumung relativ enstpannt, wir hatten ein gutes Baumhaus, genug zu essen, genug zu kiffen. Aber alles außerhalb des Baumhauses war im absoluten Ausnahmezustand, wir konnten uns noch in letzter Minute ins Baumhaus retten, nachdem wir viel zu schnell die komplette Bodenkontrolle verloren hatten, am ersten Tag der Räumung. Danach warteten und beobachten wir, was um uns herum passiert, wie innerhalb der nächsten Tage die Polizei eine Struktur nach der anderen räumte, bis sie in unserem Waldstück angekommen waren. Meine Bezugis und ich haben die Räumung durch das SEK [Sondereinheit der Polizei] auch alle gut überstanden, wurden einfach durch Lützi abgeführt und draußen abgesetzt. Viele andere mussten da deutlich mehr ertragen. Manche Menschen harrten stundenlang auf 20 Meter hohen Monopods [ein Stamm mit einer Plattform] oder Bäumen aus, in Regen, Kälte und Wind.

Die Polizei ist bei der Räumung sehr brutal vorgegangen, zahlreiche Aktivist:innen mussten mit Knochenbrüchen behandelt werden.

Manu: Die Polizeigewalt war massiv und allgegenwärtig. Und das, trotz des nahezu  friedlichen Protests! Und ich rede jetzt von der für alle sichtbaren Gewalt im Freien! Es wurde ständig, bei Menschenkettenblockaden und anderen Akionen, auf uns eingeprügelt. Es wurde gepeffert, sogar mit Pferden in die Menschen geritten! Auch Menschen, die schon am Boden lagen, wurden weiter von den Bullen geschlagen und getreten. Ich will mir gar nicht ausmalen, was in den besetzten Häusern passiert ist, wo die Presse keinen Zugang hatte.

Fast 40.000 Menschen aus ganz Europa haben am Samstag gegen die Räumung protestiert, zahlreiche Gruppen solidarisierten sich. Was hast du davon mitbekommen?

Manu: Zu dem Zeitpunkt war ich schon geräumt worden und war selbst unter den 40.000. Es war so viel geballte Energie und wir dachten echt eine Weile lang, wir schaffen es wieder rein nach Lützi! Wir haben schon die Letzten von uns in den Baumhäusern gesehen, die uns mit Feuerwerk begrüßten, aber das Polizeiaufgebot, die Zäune, es war zu viel. Alleine sechs Wasserwerfer habe ich an der Frontlinie gezählt. Und jeder Mensch, der es bis an den Zaun schaffte, wurde niedergeprügelt. Am Ende waren die 40.000 aber nicht so sehr spürbar, da nur wenige Tausend davon aktionsbereit waren und die meisten nur aus der Ferne beobachteten!

Die Räumung des „Hambi“, des Hambacher Forsts, vor vier Jahren konnte verhindert werden. Auch er sollte einer Kohlegrube weichen und wurde besetzt. Lützerath wurde geräumt. Eine Niederlage?

Manu: Für mich fühlt es sich auf jeden Fall danach an, mir und vielen Anderen wurde ein Freiraum genommen, den wir uns hart erkämpft hatten, der so wichtig war, um das schwarze Loch aufzuhalten. Was mich aber tröstet ist, dass dieser Ort viele Menschen zum Aktivismus gebracht hat, viele Menschen radikalisiert, als notwendige Reaktion auf diese unglaubliche Zerstörung, die wir jeden Tag gesehen haben.

Vor allem die Grünen werden stark kritisiert. Sie hätten einen faulen Kompromiss zugestimmt – obwohl es für Kompromisse zu spät ist. Hast du noch Vertrauen in die Politik?

Manu: Nein, ich hab kein Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Ich will Ökosozialismus, jetzt! Grüner Kapitalismus ist ein Illusion.

Manche meinen, die Klimabewegung sei zu zahm. Es hätte sich gezeigt, dass Appelle und Freitagsdemos nichts bewirkt haben. Braucht es mehr zivilen Ungehorsam wie in Lützerath?

Manu: Die Klimabewegung ist auf jeden Fall zu zahm, besonders auch in Lützi, einem Ort des hauptsächlich bürgerlichen Protests. Der Hambi wurde militant verteidigt und konnte nach Wochen des Durchhaltens gerettet werden. Wir waren hauptsächlich friedlich und wurden in wenigen Tagen geräumt. Auch ziviler Ungehorsam alleine reicht nicht, es braucht mehr Militanz!

Viele vor allem junge Leute haben den „Kampf um Lützi“ aufmerksam mitverfolgt. Was kann jede:r Einzelne tun?

Manu: Organisiert euch zusammen mit anderen Menschen, die auch was bewirken wollen! Oder schließt euch direkt anderen Aktivist*innen an! Geht zu FFF [Fridays for Future], Extinction Rebellion, der Antifa oder anderen Gruppen. Es gibt genug Organisationen mit verschiedenen Aktionslevels, da ist für jeden Menschen was dabei.

Die Räumung ist vorüber, die persönliche Aufarbeitung wird dich sicher noch länger beschäftigen. Bleibst du weiter aktiv?

Manu: Ja, ich bleibe weiter aktiv, habe die ganze Zeit repressionsfrei überstanden und quasi grade erst angefangen. Ich hoffe einfach, dass sich der Klimabewegung schnell immer mehr Menschen anschließen und wir irgendwann die Konzerne und Staaten besiegen können! Grade innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre können wir noch relativ viel gegen den Klimawandel tun, ich will diese Zeit unbedingt nutzen!

Fotos: Tim Wagner (c)

Weiterführende Links:

 

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Selbstbestimmt gedenken – Die Cadornastraße wurde umbenannt

Wir, einige Antifaschist*innen, haben gestern Abend die Cadorna Straße in Meran in „Elena Stern de Salvo“ Straße umbenannt. Cadorna war Kriegsverbrecher und Faschist. Er war Offizier im ersten Weltkrieg und machte sich für seine Grausamkeit – auch den eigenen Soldaten gegenüber – einen Namen.

Ein Foto der symbolischen Umbenennung der Cadornastraße

Cadorna unterstützte nach 1922 eifrig das faschistische Gewaltregime und wurde von Mussolini zum Marschall rehabilitiert, dem höchsten militärischen Rang in der faschistischen Armee. Dieser Teil seiner  Vergangenheit wird übrigens in wenigen Artikeln zur Umbenennungsdebatte überhaupt erwähnt.

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