lina e. – zwei fäuste für die freiheit | kommentar

warum südtiroler neonazis nach ostdeutschland pilgern, rechtsextreme gewalt nicht mit sonntagsreden zurückgedrängt werden kann und lina e. freigelassen werden muss.

ein toter nazi, schwerverletzte auf beiden seiten und eine polizei, die faschos schützt: bei der „höttinger saalschlacht“ sprengten linke gruppen in innsbruck in tirol eine propagandaveranstaltung der nsdap. der aufmarsch der nazis war eine provokation, ein muskelspiel der von den erfolgen in deutschland berauschten ns-bewegung. die antwort der linken war militant. damals, im mai 1932, eine straftat. die bürgerliche presse: empört. heute, nachdem 6 millionen jüdinnen und juden und weitere millionen menschen aus allen ländern der welt tot sind – vergast, erschossen, verschlissen im totalen krieg der „rassen“ – eine mutige aktion. vor dem hintergrund dessen, was sich abzeichnete, eine weitsichtige.

und es zeichnete sich deutlich ab: bereits 1925 hatte hitler seine politischen pläne detailliert in „mein kampf“ dargelegt: die vertreibung der jüd:innen aus der deutschen „volksgemeinschaft“; die eroberung osteuropäischer länder; die unterdrückung der opposition im „führerstaat“. alle wussten, was passieren würde, sollten die nazis an die macht kommen. leid, tot, krieg in europa. auch die liberalen und konservativen parteien wussten das. aber lieber ein paar getötete juden als die „roten“ in der regierung. zur zeit der „höttinger saalschlacht“ stand hitler kurz vor der machtergreifung: am 30. januar 1933 wird er mächtigster mann im deutschen reich. sofort beginnt er, seine pläne in die tat umzusetzen.

prellungen am rücken, platzwunden im gesicht

der mitteldeutsche rundfunk (mdr) zeigt die geprellten rücken und geschlagenen gesichter von drei männern. die bilder sind nicht leicht zu ertragen. lina e. und drei weiteren aktivisten aus thüringen wird deswegen der prozess gemacht. es geht um lange jahre im gefängnis. einige vorwürfe scheinen konstruiert, anderes mag sich so zugetragen haben. die betroffenen: neonazis. auch das thematisiert der mdr. was er nicht zeigt: die faschistische mobilmachung in ostdeutschland und die rolle, die die drei männer dabei spielen.

Weiterlesen

Hans Pircher, der „Vinschger Partisane“

Zehn Jahre seines Lebens wird der gebürtige Laaser im Gefängnis für seinen Widerstandskampf einsitzen. Wie ihm erging es auch anderen Südtiroler Partisanen. Ein Unrecht, worüber selbst heute noch kaum gesprochen wird.

Aus der Reihe: 75 Jahre Befreiung – Geschichten des Widerstands
Jelka – Drei rote Pfiffe (Teil 1)
Carlo Abbamagal – Ein Äthiopier in der italienischen Resistenza (Teil 2)

Lucía Sánchez Saornil – Freiheit und Widerstand! (Teil 3)

Weiterlesen

Auf Demonstration folgt Repression – Südtirol

166 Jahre Haft für Aktivist*innen nach Protest am Brenner gegen die Festung Europas

Die jüngste Verurteilung von 63 Aktivist*innen aus Norditalien, welche 2016 gegen die
Errichtung einer Grenzsperre am Brenner demonstrierten, ist als Teil einer systematischen Repressionswelle gegen Linke und antifaschistische Gruppen zu verstehen und als solche abzulehnen. Während die Leben von Migrant*innen und Flüchtenden ein Spielball menschenfeindlicher Populisten geworden sind, wird militanter Protest dagegen aus dem Kontext gerissen, kriminalisiert und mit drakonischen Strafen sanktioniert. Insgesamt 166 Jahre Haft lautet das vorerst noch nicht rechtskräftige Urteil dieses jüngsten Verfahrens. Eine Berufung ist wahrscheinlich. 
 
Das Ganze kann als erschreckende Kontinuität von Einschüchterungsversuchen staatlicher Behörden gegen progressive Kräfte in Südtirol verstanden werden. So wurden erst kürzlich am 4. März 10 Aktivist*innen vom Richter Ivan Perathoner wegen einer antifaschistischen Kundgebung gegen die rechte Lega in Bozen zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Der vorgeschobene Grund: Die Kundgebung war nicht angemeldet. Einige Monate zuvor hat Perathoner ebenfalls Aktivist*innen zu Haftstrafen von zwei Monaten verurteilt. In diesem Fall wegen der Proteste gegen den Neofaschisten Roberto Fiore im Dezember 2018. Bei beiden Kundgebungen kam es zu keinen nennenswerten Zwischenfällen. 
 
Währenddessen marschieren weiter Faschisten offen durch italienische Städte und greifen marginalisierte und als „anders“ markierte Personen offen an, wie in auch in den letzten Tagen am Covid-Testzentrum in Bozen. Marginalisierte Personen werden verfolgt und in Kriegsgebiete abgeschoben, Seenotretter*innen werden kriminalisiert weil sie nicht zuschauen wenn Migrant*innen und Flüchtende an den Außengrenzen Europas sterben. Wir würden hier viel lieber über die rassistische Brutalität an den Europäischen Grenzen reden und was wir als Gesellschaft besser machen können. Stattdessen müssen wir uns mit Repression gegen jene beschäftigen, die etwas gegen die Festung Europa unternehmen.  Darum möchten wir hier den Stimmen von Freund*innen aus Bozen Platz geben, die auf ihrer Facebook Seite „Bolzano Antifaschista“ folgenden Text zum Urteil veröffentlicht haben (aus dem italienischen übersetzt):  

Weiterlesen

Erinnern heißt kämpfen // Ora e sempre resistenza

Der 25. April ist ein zentraler Tag des Erinnerns. Wir erinnern uns der Partisaninnen und Partisanen, die gegen Faschismus gekämpft haben. Wir erinnern uns der vielfältigen Formen des Widerstands und werden gleichzeitig ermahnt wachsam und kritisch zu bleiben.

Erinnern heißt auch kämpfen. Es ist verbunden mit einer Verantwortung die historisch aus diesen Widerständen erwächst. Eine Verantwortung nicht zuzulassen, wenn rechte und menschenfeindliche Ideologien salonfähig werden. Die Verantwortung hinzusehen, wenn ein überhöhtes „wir“ und ein abgewertetes „die Anderen“ konstruiert werden.

„Ieri partigiani, oggi antifascisti“ – Gestern Partisan*innen, heute Antifaschist*innen sollte keine leere Phrase werden, sondern Grundlage historischen Gedenkens sein. Geschichte ist kein in sich geschlossener Raum, der sich von außen betrachten lässt. Geschichte ist sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart. Diese Gegenwart begründet sich auf der Geschichte und aus dem was wir daraus machen.

In Deutschland wurde kürzlich der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN Bda) – 1948 von Überlebenden gegründet – die Gemeinnützigkeit abgesprochen. Antifaschist*innen werden zunehmend kriminalisiert. Holocausleugner*innen erhalten immer mehr Plattformen auf denen sie sprechen können.

Erinnern heißt auch deswegen kämpfen, weil es immer weniger Zeitzeug*innen geben wird und immer mehr Stimmen, die mit „diesem Kapitel“ abschließen wollen. Aber antifaschistischer Widerstand ist kein historisches Event. Es ist eine tägliche politische Praxis die es gilt aufrecht zu erhalten. Es bedeutet im hier und jetzt nicht hinzunehmen, wenn die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird. Kritisch zu betrachten wo autoritäre und menschenverachtende Ideologien in der Mitte der Gesellschaft Platz finden.

Die Frage ist nicht allein wie wir erinnern, sondern welche Lehren wir daraus ziehen.

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“ Primo Levi

// Ora e sempre resistenza

Il 25 aprile è il 76° anniversario del giorno della liberazione dal nazifascismo. Oltre 200.000 partigiani e partigiane contribuirono alla lotta armata antifascista. Altre migliaia di persone lavoravano nelle retrovie.

Quasi 50.000 partigiani e partigiane morirono nella lotta contro il fascismo. La resistenza durò venti mesi, da settembre 1943 ad aprile 1945. Il mito che un intero paese si era liberato occulta i crimini di guerra fascisti e le mani che li misero in atto.

Il 25 aprile celebriamo la coraggiosa resistenza antifascista. Allo stesso tempo dobbiamo combattere il fascismo e i suoi inizi. La resistenza continua ogni giorno di nuovo. Ricordare significa combattere.

„Südtiroler waren an den Gräueltaten beteiligt“ | 19. Februar: Antikolonialistischer Aktionstag

In Italien, besonders in Südtirol herrscht kolonialer Gedächtnisverlust. Es fehlt nicht nur eine historische Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte des Landes, sondern auch erinnerungspolitische Projekte, welche Schauplätze kolonialer Geschichte kritisch beleuchten, oder im besten Falle mit Widerstandsgeschichten den kolonialen Blick aufbrechen.

Im Gegenteil, Kolonialverbrechern wie Mussolinis „Vizekönig“ Rodolfo Graziani wird in Affilebei Rom ein Ehrendenkmal errichtet und im Jahr 2020 öffnet die „Mostra d’oltre Mare“, die damalige faschistische Kolonialschau (siehe Artikel Abbamagal), wieder ihre Tore! Im ganzen Land gibt es unzählige Straßen, die immer noch nach Kolonialverbrechern benannt sind und Orte, welche Kolonialgeschichte bagatellisieren oder gar verherrlichen.

Weiterlesen

Lucía Sánchez Saornil – Freiheit und Widerstand!

Die Geschichte einer Anarchistin, Feministin und Antifaschistin

Reihe: 75 Jahre Befreiung – Geschichten des Widerstands – Teil 3
Teil 1: Jelka – Drei rote Pfiffe
Teil 2: Carlo Abbamagal – Ein Äthiopier in der italienischen Resistenza

„Lebt wohl, ihr Wasser des Flusses / Straße zum wilden Meer / Lebt wohl, ihr grausamen Wasser / Klingen, die ihr euch schärftet / am Stein des Winters. / Meine Hände sind zerschnitten” (Saornil)
 
Lucía Sánchez Saornil war mehr als eine Träumerin bis zu ihrem Tod war sie eine Verfechterin der Freiheit, eine unbeugsame Rebellin und außerdem eine leidenschaftliche Dichterin. Inmitten des spanischen Bürgerkriegs gründete die Anarchistin und Lesbe die Frauenorganisation „mujeres libres“ (freie Frauen) und kämpfte für eine befreite Gesellschaft und gegen das faschistische FrancoRegime. 

Weiterlesen

5.143 Tote und ein Urteil | Zum Prozess gegen 61 Linke in Bozen

In Bozen sitzen 31 Personen auf der Anklagebank. Sie haben 2016 gegen die Errichtung einer Grenzsperre am Brenner militant demonstriert. Steine sind geflogen, Scheiben zu Bruch gegangen.

2016 sind 5.143 Menschen im Mittelmeer gestorben. Mindestens. So viele wie noch nie davor. Üblicherweise wird bei Todesfällen die Todesursache bestimmt: Tod aus Erschöpfung, Tod durch Ertrinken, Tod aus Verzweiflung. Es wird, üblicherweise, auch nach dem Grund des Todes gefragt. Und nach möglichen Täter:innen. Weiterlesen

Carlo Abbamagal – Ein Äthiopier in der italienischen Resistenza

Reihe: 75 Jahre Befreiung – Geschichten des Widerstands – Teil 2
Teil 1: Jelka – Drei rote Pfiffe

Das Foto unten zeigt Partisanen des sogenannten „Battaglione Mario“, eine der ersten Formationen der „Resistenza“ in den Marche. Darin kämpfen neben Menschen aus Italien, Großbritannien und der Sowjetunion auch Leute aus Äthiopien, Eritrea und Somalia. Einer von ihnen ist der Äthiopier Carlo Abbamagal (vorne im Bild). So wie weitere fünfzig Personen aus den damaligen italienischen Kolonien kämpft auch er im antifaschistischen Widerstand. Carlo wird die Befreiung nicht erleben: Ein Südtiroler Nazi erschießt ihn am 24. November 1943 auf dem Monte San Vicino. Weiterlesen

Jelka – Drei rote Pfiffe

75 Jahre Befreiung – Geschichten des Widerstands

75 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus wollen wir jeden Monat eine Geschichte des Widerstands erzählen. Sich erinnern heißt für uns auch historisch Verantwortung übernehmen und Lehren daraus ziehen. Erinnern heißt kämpfen. Erinnern heißt auch deswegen kämpfen, weil es immer weniger Zeitzeug*innen geben wird und immer mehr Stimmen, die mit „diesem Kapitel“ abschließen wollen. Aber antifaschistischer Widerstand ist kein historisches Event. Es ist eine tägliche politische Praxis die es gilt aufrecht zu erhalten. Es bedeutet im Hier und Jetzt nicht hinzunehmen, wenn die Würde von Menschen mit Füßen getreten wird; kritisch zu betrachten wo autoritäre und menschenverachtende Ideologien in der Mitt e der Gesellschaft Platz finden.

Um die Erinnerung aufrechtzuerhalten, wollen wir Geschichten von Menschen erzählen, die uns Beispiel sein können und Inspiration. Und die uns Mut machen niemals aufzugeben. Die erste inspirierende Geschichte von Widerstand handelt von der Partisanin Helena Kuchar. Die österreichische Antifaschistin hatte sich in Kärnten den Partisan*innen angeschlossen und mutig und unerschrocken gegen den Faschismus gekämpft.

Jelka – Helena Kuchar

Die Kärtner Slowenin Helena Kuchar bewies Mut und Stärke. Als einfache Magd und vierfache Mutter – ihr Mann an der Front – hat sie sich den Kärtner Partisan*innen angeschlossen. Das Porträt einer starken Frau und Antifaschistin.

Weiterlesen

Solidarität statt Verschwörungsdenken!

Quelle: rainews.it

Die Corona-Pandemie hat zweifellos viele schwerwiegende gesellschaftliche Folgen mit sich gebracht. Neben den offensichtlichen – also den Toten, den Erkrankten, den Ausgangsperren, den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Shutdowns – ist eine weitere Entwicklung zu beobachten, die Sorgen bereitet: Eine wachsende „Corona-Kritik“-Bewegung, die sich zunehmend verschwörungstheoretischen Desinformationskampagnen öffnet und zu „Hygienedemos“ mobilmacht.

Von der Impfkritik zur Weltverschwörung

Corona-Verschwörungserzählungen stellen vermeintlich Schuldige an den Pranger und vermeiden so die Auseinandersetzung mit einer unsicheren und schwierigen Situation. „Der Glaube an eine Verschwörung kann ein Hilfskonstrukt sein, um Ordnung in das Chaos zu bringen“, erklärte Katharina Nocun unlängst in einem Beitrag der ze.tt. Oft sind die „Schuldigen“ Teil einer vermeintlichen großen Verschwörung, etwa im Rahmen einer „Neuen Weltordnung“. Namen wie Bill Gates oder George Soros werden hierzu oftmals in traditionell antisemitischen Verschwörungsmythen eingebaut. Von den internationalen bösartigen Eliten zur jüdischen Weltverschwörung ist es oft nur ein kurzer Schritt. Weiterlesen