„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ | Kommentar

Über neurechten Sprech und die Opferinszenierung des Harald Stauder.

Screenshot aus H. Stauders öffentlichem Facebook-Video-Post

Der SVP Bürgermeister von Lana Harald Stauder veröffentlicht am 22. Februar ein Video auf Facebook, in dem er endlich das auszusprechen wagt, worunter so viele „unterdrückte“ Bürger*innen Südtirols leiden: Sprachpolizei, Gutmenschen mit erhobenem Zeigefinger, „all jene, die überall Rassismus wittern“. Stauder spricht über vermeintliche Kostümverbote zu Fasching, angebliche Bäckerei-Boykotte aufgrund unangebrachter Krapfenmotive, voreilige Anschuldigungen. Und zwischen all diesen „Extremen“ inszeniert er sich perfekt als der „Moderate“, der einen kühlen Kopf bewahrt, während alle vor lauter „Rassismus-Imaginationen“ schon die Stirn glüht. Und vor allem verteidigt er eines: die Freiheit von Kindern!

Die Argumentationslinie ist bekannt: Es gibt die vermeintlichen Moralisten, die da draußen allen den Spaß verderben, die dafür sorgen, dass nichts mehr sagbar ist. Die Argumente kennen wir nicht nur von der AfD in Deutschland. Alle neuen rechten Strömungen haben dieses Mantra verinnerlicht. Es beschwört einen vermeintlichen Normalzustand herauf, der in Bedrohung steht (in der Forschung zur extremen Rechten nennt man dies auch Dekadenztheorie). Schuld an allem sind dann die Feminist:innen (Hilfe hier wird gegendert!), die Schwulen und Lesben, die Klimabewegung, die Antifa oder alle weiteren Gruppierungen, die vermeintlich die natürliche Ordnung durcheinander bringen.

In der Kommentarspalte unter dem Beitrag von Herr Stauder geschieht genau das, was immer passiert, wenn rechtspopulistisch Stimmung gemacht wird. Es tönt sinngemäß „genau“ und „das muss doch mal aufhören mit diesem Unfug“, „endlich sagts mal wer“. Dazwischen auch rassistische Kommentare und Bilder. Der Beitrag gefällt auch Gabriele Morandell. Als Volksanwältin leitet sie unter anderem auch die Antidiskriminierungsstelle.

Es zeigt sich: Die Aussagen des Bürgermeisters sind an diesem historischen Zeitpunkt nicht nur beschämend, sie sind gefährlich. Ja, es gibt Kritik an rassistischen Faschingskostümen. Und nur weil Stimmen dagegen lauter werden, heißt es nicht, dass die Kostüme nicht schon vorher rassistisch waren.

Aber diese Debatte berührt nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um Rassismus geht. Und ich glaube viele Schwarze Menschen machen sich auch mehr Gedanken über rechten Terror als Faschingskostüme. Aber Rassismus ist nunmal ein System und da spielt beides mit rein. So zu tun, also würde Rassismus konstruiert, in dem er als Vorwurf in den Raum geworfen wird, spricht ab, dass er für viele Menschen eine bittere und lebensgefährliche Realität darstellt.

Und ja Herr Stauder, auch viele Verkleidungen, die an Fasching kritisiert werden, haben eine blutige Geschichte. „Blackfacing“ etwa, also sich das Gesicht schwarz anmalen, entstand in den amerikanischen Südstaaten zur Zeit der Sklaverei. Das schwarz gemalte Gesicht als Witz hat seinen Ursprung in dem rassistischen Stereotyp „Jim Crow“, einem ebenso fröhlichen wie vermeintlich dummen Schwarzen. Das war vor 200 Jahren rassistisch und ist es heute.

Diese Kostüme mit Witzen über den Papst zu vergleichen ist nicht nur platt, sondern falsch: Der Papst hat sich seine Rolle gewählt, er genießt Macht und Ansehen. Ein Kostüm, welches sich auf Identitäten bezieht, welche sowohl historisch als auch gegenwärtig unterdrückt wurden, ist nicht nur falsch, sondern auch schwach. Man nennt es auch „nach unten treten“, Herr Stauder.

Als Bürgermeister sind sie zwar oben – aber in einem Jahrzehnt, in dem rassistischen Anschläge wie Hanau, Halle, Christchurch immer wieder Menschenleben kosten, in dem das NSU Trio in Deutschland Menschen, die nicht weiß sind, ermordet- in so einem Jahrzehnt nach unten zu treten, ist das allerletzte.