Internationales Netzwerk: Aufmärsche gegen Frauenrechte

Wie ausländische Organisationen mit Nähe zum Rechtsextremismus die Abtreibungsdebatte in Tirol anheizen – und bald auch in Südtirol aktiv sein könnten.

Samstag, 11. März in Innsbruck: Abtreibungsgegner:innen rufen zum „Marsch fürs Leben“ auf, fordern die weitere Einschränkung der Möglichkeiten für Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Mit Petitionen und Kundgebungen mobilisieren sie schon seit Monaten gegen die Einführung eines flächendeckenden, kostenfreien Angebots in Tirol. Der Vorstoß der neuen Landesregierung scheint den Antifeminist:innen Auftrieb zu geben: Stand im vergangenen Sommer noch rund zehn Personen vor dem Landhaus, waren es im September bereits über 60. Im Januar nahmen dann über 300 Menschen an der Demonstration „gegen öffentlich finanzierte Abtreibungen“ teil. Der Erfolg kommt nicht zufällig. Er ist das Ergebnis professioneller Agitation – und tatkräftiger, vor allem finanzieller Hilfe aus dem Ausland.

Jugend für Abtreibungsverbot

Organisiert wurde die Demo im Januar von der Gruppe Jugend für das Leben, einer 1989 in Linz gegründeten katholischen Jugendorganisation. Ihr Ziel: „Abtreibungen […] undenkbar zu machen“, wie es auf der Webseite heißt. Die Gruppierung zählt zu den aktivsten in Österreich und ist in den meisten Bundesländern aktiv, verfügt aber über eher lose Basisstrukturen. Auch die derzeitige Aufbauarbeit passiert Top down: Der Verein verfügt über eine Generalsekretärin und „Regionalkoordinatoren“, die für die Rekrutierung neuer Mitglieder und die Durchführung von Veranstaltungen zuständig sind.[2] Die Gruppe steht hinter dem Label „Marsch fürs Leben“, unter dem Antiabtreibungsmärsche veranstaltet werden, und bietet Workshops zum Thema „Abtreibung und Alternativen“ in Schulen an.

Ultrakonservative Netzwerke im Hintergrund

Mitveranstalter im Januar in Innsbruck war – wie auf den Transparenten unschwer erkennbar – die ultrakonservative Organisation CitizenGO, die seit einiger Zeit auch in Österreich aktiv ist. Die 2013 in Spanien gegründete Stiftung lobbyiert für konservative Werte und betreibt eine Petitionsplattform, auf der sich Petitionen gegen Feminismus, LGTBQ oder Sterbehilfe finden: „Feminismus ist eine Gefahr für Frauen. Der Feminismus … hat die Lage für alle verschlechtert“, heißt es etwa auf Facebook. Ziel ist es, so Beobachter:innen, „nationale Regierungen, Parlamente und internationale Institutionen“ zu beeinflussen. Dabei setzt die Stiftung vor allem auf Gruppen vom rechten Rand.

CitizenGO: „Internationaler Motor für Rechtsextremismus“

Wie interne Leaks gezeigt haben, hat CitizenGO nicht nur die rechtsextreme Partei Vox in Spanien groß gemacht. Die Organisation ist durch ihre finanziellen Zuwendungen laut der spanischen Zeitung Público ein „internationaler Motor für rechtsextreme Parteien und Organisationen“ und hat in 50 Ländern zu deren raschen Verbreitung und Konsolidierung beigetragen. In Österreich trat die Gruppe auch in Vorarlberg in Erscheinung und unterhält Verbindungen zur ÖVP.

„Weltweiter Krieg gegen Frauenrechte“

Tirols Antifeministen bekommen nicht nur Unterstützung aus Spanien. Moderiert wurde die Demo im Januar in Innsbruck von Ludwig Brühl, einem jungen Deutschen, der für ADF International in Wien arbeitet. Die Alliance Defending Freedom ist eine der einflussreichsten ultrakonservativen Lobbygruppen in den USA, die sexuellen und Fortpflanzungsrechten vor Gericht den Kampf ansagt und der Trump-Regierung nahe stand. Hauptquartier des in über 100 Ländern tätigen internationalen Ablegers ist Wien. Laut OpenDemocracy haben ultrarechte Gruppen aus den USA in den letzten Jahren über 280 Millionen Dollar in den „weltweiten Krieg gegen Frauenrechte“ gesteckt, den größten Teil davon in Europa. Eine der größten Geldgeberinnen ist die ADF.

Einflussnahme auch in Südtirol?

Antifeminismus ist in Europa wieder im Aufschwung. Vor dem Hintergrund der Fortschritte im Bereich der Gleichstellung und Akzeptanz haben sich die reaktionären Kräfte formiert und gehen – mit internationaler Unterstützung – zum Gegenangriff über. Bald könnten sich diese Entwicklungen auch in Südtirol entfalten. Auch hier gibt es mit der Bewegung für das Leben eine einflussreiche Antiabtreibungsorganisation, die mit der Jugend für das Leben aus Österreich vernetzt ist. Auch die italienische Gruppe Pro Vita hetzt gegen angebliche „Gender-Propaganda“.

„Direkt für Widerstand sorgen“

Miriam Gertz schreibt zu diesen neuen Herausforderungen: „Als feministische Bewegung müssen wir erstens die politischen Entwicklungen im Blick haben, Verschlechterungen möglichst abwehren und notfalls direkt für Aufmerksamkeit und Widerstand sorgen. Und zweitens dürfen wir nicht vergessen, dass der Kampf nicht die Wahrung, sondern die Überwindung des Status Quo als Ziel hat […] Gleichzeitig müssen wir Bündnisse schmieden und darüber aufklären und diskutieren, was zur Erreichung tatsächlicher Selbstbestimmung fehlt!“

Dass Widerstand möglich ist, zeigen Beispiele dies- und jenseits des Brenners: In Bozen organisieren linke und feministische Gruppen regelmäßig Gegenproteste und -aktionen zu den reaktionären Märschen von Pro Vita. Im Januar ist es in Innsbruck gelungen, die Veranstaltung von Jugend für das Leben zu blockieren und zu isolieren (siehe unten). Auch für Samstag sind dort Gegenaktionen angekündigt.

 

Fotos: Schwarze Feder Innsbruck