Neue Rechte in Südtirol: Ästhetik, Netzwerke und Gefahr der Verharmlosung

In einem kürzlich veröffentlichten Video auf Instagram sind vier Männer mit rot-weißen Sturmhauben zu sehen. Sie filmen sich beim Training und Boxen im Ares Calisthenics Park in St. Georgen bei Bruneck. Das Profil auf Instagram nennt sich „Junge Aktion“.

In der Beschreibung heißt es: „Wir sind die Speerspitze der volkstreuen Jugend in Südtirol, eine Jugend, die ihr Land nicht aufgibt. Wir sind organisiert, diszipliniert und aktiv – und wir holen unser Land zurück!“

Zu sehen ist im Video, wohl kaum zufällig, ein Aufkleber gegen das NS-Verbotsgesetz, der sich mit dem aus Lienz stammenden Neonazi Manuel Eder solidarisiert. Der Osttiroler wurde wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt, gehörte zum Blood-&-Honour-Netzwerk, wirkt in Rechtsrock-Bands wie z. B. „Terrorsphära“ mit und ist aktiv in der neonazistischen Kampfsportszene.

Die Jungs zeigen sich beim Lesen des Buchs „Remigration“ des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Am Ende des Videos wird das Okay-Handzeichen gezeigt, das seit einigen Jahren in der Neonazi-Szene als Symbol für White Power steht.

Nazi-Sticker und White-Power-Gruß / Instagram

Die Machart des Videos erinnert an andere neue rechtsextreme Gruppierungen wie z. B. „Die Junge Tat“ aus der Schweiz oder die „Identitäre Bewegung“. Professionelle Bildsprache, eine Ästhetisierung von Männlichkeit, die Inszenierung von Gemeinschaft oder ein Narrativ von „Widerstand“ und „Wir gegen Die“ sind einige der Merkmale. Neonazistische Botschaften werden geschickt verpackt. Statt offener NS-Symbole werden subtilere Zeichen genutzt (z. B. Farben, Runen, Gesten wie der „White Power“-Gruß oder Zahlencodes). Auf den ersten Blick wirken solche Videos oft wie harmlose Lifestyle-Clips, doch sie sind ideologisch aufgeladen, bedienen sich der Ästhetik rechter Bewegungen und wollen mit einfachen Phrasen gezielt junge Menschen auf TikTok und Instagram emotional abholen.

Unter den Followern der Gruppe auf Instagram befinden sich laut dem Bericht der Tageszeitung rechtsextreme Akteure aus dem deutschsprachigen Raum, der Landtagsabgeordnete Jürgen Wirth Anderlan sowie Mitglieder der Schützen. Letztere sind wohl auf magische Weise wieder aus der Follower-Liste verschwunden; in einer Aussendung hat sich der SBB halbherzig distanziert. Dass es in den eigenen Reihen der Schützen sehr wohl immer wieder rechtsextreme Tendenzen gibt, zeigen vergangene Vorfälle – ob auf Kuschelkurs mit rechtsextremen Burschenschaften, Sellner-Fans oder die Verhaftungen der Neonazis im Burggrafenamt Mitte der 2000er-Jahre.

Sellner-Freund Anderlan, provokant wie immer, hat gleich ein Video gepostet, in dem er die jungen Männer in Schutz nimmt. „Er kenne sie, und sie wären nur Patrioten, die Sport machen und Bücher lesen“, und es wären „20 gute Patrioten, die ihre Heimat lieben“.

In einem Artikel beschreibt die TZ den Brixner Raphael Mayrhofer als wichtigen rechten Netzwerker in Südtirol. Er ist Mitarbeiter der Landtagsfraktion JWA und schreibt für mehrere rechte Medien wie Info-DIREKT, Der Eckart und für eines der reichweitenstärksten rechtsextremen Medien in Österreich, AUF1. Auf X solidarisiert er sich mit dem oben genannten Neonazi und Freund Manuel Eder. Die Tageszeitung suggeriert, dass sich die Sprache in den sozialen Medien von JWA und der „Jungen Aktion“ mehr als nur ähnelt und dass wohl auch Mayrhofer hinter der neuen Gruppe stecken könnte.


In einem Interview warnt der Meraner Sozialpädagoge Thomas Kobler vor der Verharmlosung rechtsextremer Tendenzen in Südtirol. Er betont, dass solche Inhalte gezielt junge Menschen ansprechen und zur Radikalisierung beitragen können. Kobler sieht einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Krisen und der zunehmenden Akzeptanz extremistischer Botschaften.

Einschätzung: Rechts sein scheint tatsächlich wieder cool zu sein. Wir beobachten, dass im gesamten deutschsprachigen Raum neue Neonazigruppen, organisiert über TikTok und Telegram, aus dem Boden sprießen. Ihre Mitglieder sind sehr jung, meist männlich. Die Feindbilder sind meist migrantische Menschen, Linke und queere Personen. Auch wenn die Gruppen in Südtirol noch nicht richtig aktiv in Erscheinung getreten sind und vielleicht – bis jetzt – „nur ein paar Hanseln“ sind, können sie sich auch schnell über die Landesgrenzen hinaus vernetzen und viele junge Menschen erreichen. Es soll davor gewarnt werden, solche Gruppen als harmlos oder lediglich „patriotisch“ zu betrachten. Für die Medien ist es natürlich ein gefundenes Fressen – das Video wurde teilweise ohne Kommentar geteilt.

Fazit: Die „Junge Aktion“ ist kein harmloses Patriotenprojekt – sie ist Teil eines größeren, europaweiten Phänomens eines neuen, digital vernetzten Rechtsextremismus, der gezielt junge Menschen ködern will.
Und trotzdem sollten wir uns nicht ablenken lassen von der zunehmenden institutionellen Normalisierung rechter und autoritärer Ideen in der Gesellschaft und der Politik – die wiederum den fruchtbaren Boden für solche neonazistische Gruppen bilden.
Wie z. B. die Teilnahme des Südtiroler Landesrats Marco Galateo (Fratelli d’Italia) an einer Veranstaltung mit neofaschistischen Gruppen in Bozen, die Kriminalisierung von Protesten oder das neue repressive Sicherheitspaket der Regierung Meloni – um nur einige zu nennen.

Es liegt an uns, dem rechten Vormarsch nicht tatenlos zuzusehen – weder online noch auf der Straße.

Update: Mittlerweile hat sich die „Junge Aktion“ wohl selbst enttarnt. In einem auf Instagram geposteten Video ist Martin Scheiber zu sehen – Landtagskandidat der JWA, ehemaliger Leiter der Jungen Süd-Tiroler Freiheit und Mitglied der Schützenkompanie Oberwielenbach. Scheiber nahm bereits im Juli 2024 an einem rechtsextremen Aufmarsch der „Identitären Bewegung“ in Wien teil.

Martin Scheiber / Junge Aktion/ Instagram