Rechte Kampfbegriffe und die Normalisierung neofaschistischer Rhetorik

Die zwei Bozner Lega-Stadtviertelräte Maurizio Puglisi Ghizzi und Massimo Trigolo sind seit kurzem offizielle Vertreter des neuen rechtsextremen Komittees „Remigrazione e Riconquista“. Die beiden sind Exponenten von CasaPound, Puglisi Ghizzi sogar Ex-Bürgermeisterkandidat in Bozen und heute mit der Lega in der Mehrheit der Stadtregierung vertreten.
Kampfbegriffe wie „Remigrazione“ tauchen immer häufiger in extrem rechten Kreisen Italiens auf und dringen bis in die Parteipolitik vor.

Italien-Fahnen der Faschos am Siegesplatz

Politische Verflechtungen

Dass Neofaschisten heute bei anderen Rechtsparteien aktiv sind ist kaum noch als Wolf-im-Schafspelz-Moment zu bezeichnen – schon gar nicht bei der Lega. Viele Parteien haben längst zentrale neofaschistische Positionen übernommen oder normalisiert.

Gegründet wurde die neue Gruppe „Remigrazione e Riconquista“ in Italien Anfang Oktober unter anderem von:

  • CasaPound 
  • Rete dei Patrioti („Netz der Patrioten“), Zusammenschluss mehrerer rechter, nationalistischer Gruppierungen
  • VFS (Veneto Fronte Skinheads), neonazistische Gruppe aus dem Nordosten Italiens
  • Brescia ai Bresciani

In Bozen dürften daher vor allem Neofaschisten von CasaPound unter dem Label aktiv sein. Dort hängten Anhänger:innen der Gruppe am 4. November an einschlägigen Straßennamen Tricolore-Fahnen auf, um den „Tag des Sieges“ zu feiern. Die Straßennamen stehen in Zusammenhang mit der faschistischen und kolonialistischen Vergangenheit Italiens. Die Aktion wurden unter anderem auf der Instagram Seite „Defend Bolzano“ geteilt. Dieser wird vermutlich auch von Casapound betrieben.

Defend Bolzano auf Instagram

Ziel der Vereinigung dürfte vor allem sein, den Begriff „Remigration“ im politischen Diskurs zu etablieren – eine Strategie, die Sellner bereits erfolgreich im deutschsprachigen Raum betrieben hat. Auch in Südtirol fruchtet diese doch recht durchschaubare Nummer, wie der Blick auf Titelseiten und Artikelüberschriften zeigt. Hier sind die Journalist:innen gefordert: Das ungefilterte Wiederholen rechtsextremer Sprechweisen und Bildprodukte muss vermieden werden.

So nicht: Rechte Parolen ungefiltert auf der Titelseite der TZ

Bonazza: DJ-Pult statt Gemeinderatssitz – Subkulturelle Vernetzung

Innerhalb der rechtsextremen Szene in Bozen passiert schon seit längerem viel mehr. Zum Beispiel bei Andrea Bonazza, Neofaschist und ehemaliger Gemeinderat von CasaPound, der in der europäischen Neonaziszene vernetzt ist.

Im September trat er als Redner über „Remigration“ und als „DJ Bonny“ beim Galerna Fest 2025 in Spanien auf. Im Vorjahr war er mit seiner Band „No Prisoner“ zusammen mit den „Green Arrows“ beim Festival zu Gast – zwei Bands, die regelmäßig im Neonazi-Milieu spielen. Die Musik wird in einem Aufnahmestudio in Bozen produziert.

Fascistas fuera – Protest in Santander gegen das Galerna Fest 2025

Bei einem Event von Brescia ai Bresciani trat Bonazza vor kurzem als DJ auf. In den sozialen Medien teilt er Fotos, wie er bei den Rebellen der Karen-Minderheit in Burma ist. Seit Jahren reisen CasaPound-Mitglieder unter dem Namen ihrer NGO regelmäßig nach in das vom Bürgerkrieg zerrissene Burma. Journalisten vermuten, dass humanitäre Hilfe als Deckmantel für politisch-ideologische Operationen dient.

Bonazza ist zudem regelmäßig zu Gast beim neofaschistischen Radiosender RBN – Radio Bandiera Nera. Subkulturelle Musik wird seit Jahren – nicht nur im Bozen – mit neofaschistischer Ideologie verknüpft. Das sehen wir auch daran, dass Bonazza als „DJ Bonny“ regelmäßig in der Bikers Bar in Bozen auflegt. In jener Bar, wo im September ein 15-Jähriger von mehreren Rechtsextremen wegen seiner Frisur gewalttätig angegriffen wurde.

Bonazza und Mitglieder von Casapound und den Green Arrows auf einem neonazistischen Gedenktag in Budapest 2020 – Quelle: Rainews

In der Roccaforte, dem Sitz von Casapound und dem Blocco Studentesco in Bozen, gibt es – in dem mit Keltenkreuz und Rutenbündelfahnen geschmückten Raum – regelmäßig Veranstaltungen.

„Remigration“ und rechte Allianzen

Die Rhetorik der Gruppe „Comitato Remigrazione e Riconquista“ normalisiert Hass, schürt Angst vor Migranten und NGOs und könnte politischen Einfluss gewinnen. Rechte Gruppen nutzen den Kampfbegriff „Reconquista“, also „Rückeroberung“, um eine angeblich verlorene kulturelle oder ethnische Vorherrschaft zu beschreiben. Einige rechtsextreme Gruppen – darunter völkisch-nationale Identitäre – sehen „Remigration“ als Teil einer ethnischen Utopie, in der Europa „kulturell homogen“ sein soll. 

Hinter der Rhetorik steckt oft die Idee von Zwangsrückführungen oder Deportationen, also konkrete Menschenrechtsverletzungen.

Das AfD-Geheimtreffen 2023 in Potsdam zeigt, wie radikale Rückführungsfantasien („Remigration“) grenzüberschreitend wirken. Sellner, CasaPound & die neue italienische Bewegung teilen dieselben Codes und Begriffe. Auch die deutschsprachige Rechte Südtirols um Anderlans JWA oder um Knoll’s Südtiroler Freiheit und deren Landesjugendsprecherin, Melanie Mair, haben diese Begriffe längst übernommen.

Es ist wichtiger denn je, klar gegen die wachsenden faschistischen Strömungen Stellung zu beziehen. Wenn Herkunft zum Maßstab genommen wird, geht die Menschlichkeit der Gesellschaft verloren.

Rechtsextremes Treffen in Mailand: Angst vor Antifaschismus

Was als rechtsextremer „Gipfel von Mailand“ angekündigt war, endete in einem stickigen Theatersaal des Städtchens Gallarate in der lombardischen Provinz. Auch Rechtsextreme aus Südtirol waren dabei. In Mailand zogen indes über 2.000 Antifaschist:innen hinter dem Banner „Make Europe Antifa Again“ lautstark durch die Innenstadt. 

Italienische Neofaschisten luden nach Mailand

Dass sich Südtiroler Rechte und italienische Faschisten die Hand schütteln, kommt nicht oft vor. Der letzte Samstag (17.5.) zeigte wieder einmal: Hass vereint, Rassismus verbindet.
Anlass war das als „Remigrations-Gipfel“ propagierte Treffen von Rechtsextremen aus mehreren europäischen Ländern. 
Organisiert wurde der Kongress von der italienischen Gruppe „Azione Cultura Tradizione“ und dem Aktivisten Andrea Ballarati, einem ehemaligen Mitglied der Jugendorganisation der Partei Fratelli d’Italia. Die neofaschistische Gruppe „CasaPound“ nahm zwar nicht teil, erklärte jedoch ihre Unterstützung für die Veranstaltung.
Trotz ihrer ansonsten konträren Vorstellungen von „Volkszugehörigkeit“ eint die rechtsextremen Deutschen und die italienischen Faschisten der gemeinsame „Feind“ von außen.

Angst vor antifaschistischem Protesten

Das Treffen hätte eigentlich in Mailand stattfinden sollen. Nach angekündigten Protesten und Absagen suchten die Rechten lange vergebens nach einem Veranstaltungsort. Kurzfristig wurden die Teilnehmer:innen informiert, dass das Treffen in Gallarate stattfinden werde, einer 40 Kilometer außerhalb von Mailand gelegenen Kleinstadt.
Das Treffen begann jedoch nicht wie geplant am Nachmittag, sondern bereits in der Früh. Wohl auch, da für Nachmittag eine antifaschistische Demonstration angemeldet worden war.

Starke antifaschistische Präsenz in Mailand

Mehr als 2.000 Antifaschist*innen demonstrierten in Mailand unter dem Motto „Make Europe Antifa Again“ gegen das Treffen der Rechtsextremen. Die Polizei setzte vergeblich Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Demonstrant:innen zu zerstreuen.

Zeitgleich hatte ein breites Bündnis zu einer Kundgebung auf dem zentralen San-Babila-Platz in der Innenstadt aufgerufen. Die Modena City Ramblers spielten, Gewerkschafter:innen und Linkspolitiker:innen hielten Reden.

Schulterschluss in der Provinz



Im Stadttheater in Gallarate, dem Veranstaltungsort des rechtsextremen Treffens, blieben zahlreiche Sitze leer – weit entfernt von den 400 angekündigten Teilnehmern. Trotz der überschaubaren Kulisse hatte das Treffen inhaltlich Gewicht: Es brachte zentrale Akteure der europäischen extremen Rechten zusammen und setzte ideologisch klare Signale. Der Kongress wurde u. a. von Martin Sellner (Identitäre Bewegung) mitorganisiert und propagierte offen rassistische Forderungen wie die Massendeportation von Migrant:innen.

Auch Südtiroler beteiligten sich

Vertreter der Südtiroler Rechten – darunter die „Junge Aktion“ und JWA-Mitarbeiter Raphael Mayrhofer – nahmen am rechtsextremen Treffen.
Der aus Olang stammende ehemalige Kandidat der Südtiroler Freiheit und Schützenkamerad Alex Auer vertrat die “Junge Aktion” während dem Event.
Jürgen Wirth Anderlan konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen, rührte aber auf Social Media fleißig an der Werbetrommel. Der rechtsextreme „Maiausflug“ zeigt einmal mehr, wie aktiv und international vernetzt die Südtiroler Rechte agiert.



Grenzprobleme für Ausgrenzungs-Fans

Kurz vor dem Treffen versuchte die deutsche Bundespolizei, mehreren Identitären-Aktivisten die Ausreise zu verwehren – acht wurden am Münchner Flughafen gestoppt und stundenlang festgehalten. “Ausgerechnet eine geschlossene Grenze machte der Gruppe einen Strich durch die Rechnung.”, schreibt Beltower News.



AfD-Politikerin Lena Kotré lobte beim Treffen offen die Identitäre Bewegung (IB) und betonte deren positiven Einfluss auf die Politik. Während sich die Partei früher offiziell von der IB distanzierte, hat sich das Klima inzwischen gewandelt: Die „Neue Rechte“ liefert heute ideologische Grundlagen und dient der AfD als strategisches Bindeglied zur Jugend.

Unterstützung durch italienische Rechtsparteien



Auch die Lega findet sich ideologisch längst in der neuen Rechten wieder. Ohne die Zustimmung des Lega-Bürgermeisters im Veranstaltungsort Gallarate, Andrea Cassani, wäre eine derartige Konferenz in einer kommunalen Einrichtung nicht möglich gewesen.
Für Italiens Innenminister Matteo Piantedosi handelt es sich dabei lediglich um „legitime Beiträge“, während er es vorzieht, gegen die antifaschistischen Demonstrationen zu polemisieren, die er als „Vorwand für Unruhen“ bezeichnete.



Auch wenn viele italienische Medien das „Remigrations“-Narrativ unkritisch übernahmen und verbreiteten, war die Vertreibung der Rechtsextremen aus Mailand ein starker Erfolg von Antifaschist:innen aus unterschiedlichen Lagern. Antifaschismus wirkt!