Brennpunkt Wipptal: Schützenhut und Springerstiefel

Sie posieren mit Harrington-Jacke und Springerstiefel. Selbstverständlich sind die Schnürsenkel weiß. Im Hintergrund läuft Onkelz-Sound, dazwischen Wehrmachtslieder und rechtsextreme Songs von „Kategorie C“. Es wird geraucht und gesoffen: Größer als die Liebe zu Deutschland ist nur die zum Alkohol.

Es könnten Bilder aus den 90er-Jahren sein, als auch in Südtirol die „Baseballschlägerjahre“ begannen. Aber sie sind hochaktuell. Die Rechts-Radikalisierung bringt auch ein Klischee zurück: die Springerstiefel-Nazis.

Lukas Kasslatter ist einer von ihnen. Zusammen mit Julian S. posiert er in Neonazi-Kluft für die „Revolte Wipptal“, wie sich die Gruppe nennt. Ihre Gesichter sind verpixelt, an den Tattoos sind die beiden Männer unschwer zu erkennen.

Kasslatter ist Anfang 20 und Mitglied im Schützenbund. Er will Kommandant in der neugegründeten Kompanie Innerpfitsch werden. Er ist „heimatverbunden“, lässt er Salto wissen. Gemeint ist wohl Großdeutschland: „National statt global“, so das Motto der Gruppe.

SS-Tattoo und rechtsextreme Codes

Kasslatter hat eine Vorliebe für nordische Mythologie. Auf seinen rechten Handrücken hat er sich einen Thorshammer tätowieren lassen. Auch jeder seiner Fingerrücken ist tätowiert, zehn Buchstaben stehen dort. Es ist sein Nachname in Runenschrift. Die beiden S formen so das Erkennungszeichen der Nazi-SS.

Julian S. posiert in sozialen Medien vor einem Wehrmachtspanzer. Bis vor Kurzem nannte er sich dort „julian.14w“. Das Kürzel steht für „14 words“ – gemeint ist damit ein 14 Wörter langer Glaubenssatz von Neonazis und Rassisten, mit dem sie die Zukunft für „Volk und weiße Kinder“ beschwören.

Formuliert hat den Satz ein US-amerikanischer Neonazi. Bei den anderen Gruppenmitgliedern finden sich weitere rechtsextreme Erkennungszeichen: „88“ („Heil Hitler“) etwa, oder „WP“ („Weiße Macht“).

Finanzwache-Beamter unter den Mitgliedern

Wortführer der deutschnationalen Gruppe dürfte aber laut Tageszeitung ein anderer sein: der 33-jährige Crescenzo C., Beamter der italienischen Finanzwache, der auch mal Hakenkreuz-Gürtel trägt oder einen Wehrmachtshelm. 

Es ist nicht der erste Mal, dass die (neo-)nazistische Begeisterung eines italienischen Polizeibeamten bekannt wird. Erst kürzlich haben wir von einem Carabinieri-Beamten aus Gröden berichtet, der sich im Internet unzählige Neonazi-CDs bestellt hat.

Die „Revolte“ ist nachweislich seit November 2024 auf sozialen Medien aktiv. Wie groß die Gruppe ist, bleibt unklar. An einem gemeinsamen Foto sind mit dem Fotograf acht Personen beteiligt, darunter Kasslatter, S. und C.

Nazi-Sonne als Erkennungszeichen

Die jungen Männer haben sich ein Gruppen-T-Shirt drucken lassen. T-Hemden, wie es in der Szene heißt. „Good night left side“ steht groß neben dem Gruppennamen. Auf dem Ärmel ist die „Schwarze Sonne“ aufgedruckt. Auch der Name des Symbols steht dabei – deppensicher.

Die „Schwarze Sonne“ wurde von den Nazis entworfen, sie setzt sich aus Hakenkreuzen und S-Runen zusammen. Heute ist sie ein beliebtes Ersatz- und Erkennungssymbol in der rechtsextremen Szene.

Wenig verwunderlich, dass die Gruppe auf Instagram den Kanal der „Jungen Aktion“ abonniert hatte. Oder den der rechtsextremen NPD bzw. ihrer Nachfolgeorganisation „Heimat“.

Kriegsflagge und Kalaschnikow

Die Inszenierung männlicher Stärke auf sozialen Medien geht mit Gewaltphantasien einher. Kasslatter sieht sich als soldatischer Mann, der für Deutschland kämpfen will. Auch mit der Waffe.

Videos von gemeinsamen Kalaschnikow-Schießübungen in Tschechien versieht er mit einer Wehrmachts-Fahne. Man kann sich leicht ausmalen, wen er sich auf der anderen Seite der Schussbahn vorstellt.

Die Instagram-Seite der „Revolte“ ist inzwischen offline, nachdem Salto den Fall öffentlich gemacht hat. Auch Bild- und Videomaterial wurde gelöscht.

Aufbruch statt Retro-Nazismus

Die neue Rechts-Radikalisierung, die aus anderen Ländern bekannt ist, ist nun auch in Südtirol Realität. Brandgefährlich ist vor allem die neue Allianz aus politischen Parteien und rechtsextremen Gruppen, für die beispielhaft die Liste JWA steht.

Andererseits darf bei aller Empörung über die rechtsextremen Boygroups nicht vergessen werden, dass es in Bozen eine – trotz Repression – aktive linke Szene gibt und in Südtirol in jüngster Zeit auch einen deutlichen progressiven Aufbruch.

Hunderte beteiligten sich etwa an den Aktionen von „Make tourists pay“ oder bei „No Excuses“. Und erst vor Kurzem hat sich im Überetsch eine neue antifaschistische Gruppe gebildet. Wir sind viele. Wir sind mehr.

Alle Fotos: Instagram

Weiterführende Links

https://salto.bz/en/article/28042025/jung-rechts-und-bald-schutzenkommandant

https://salto.bz/de/article/29042025/sehe-nichts-radikales